Berlin (pm) – Es gibt gute Nachrichten, betont die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG): Die Zahl von Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes, die eine sehr schlechte Stoffwechsellage haben, sinkt seit etwa zehn Jahren. Auch die Zahl der schweren Hypoglykämien (Unterzuckerungen) ist dank technischer Hilfsmittel wie Insulinpumpen oder Glukosesensoren zurückgegangen (1). Doch nicht alle jungen Patientinnen und Patienten erreichen die in nationalen und internationalen Leitlinien gesetzten Therapieziele. Denn moderne Technologien stellen hohe Ansprüche an einen strukturierten Alltag, die von den Heranwachsenden, ihren Familien und Betreuerinnen und Betreuern in Kita und Schule viel abverlangen.
Den HbA1c-Wert unter Kontrolle haben
Der HbA1c-Wert gibt an, wie viel Glukose sich in den letzten acht bis zwölf Wochen an die roten Blutkörperchen gebunden hat und ist damit ein Langzeitmarker zur Beurteilung der Stoffwechselqualität. Bei Menschen ohne Diabetes mellitus liegt der HbA1c um die fünf Prozent (30 mmol/mol). Bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Typ 1 empfiehlt die DDG in den aktuellen Praxisempfehlungen einen HbA1c-Wert von weniger als 7,0 Prozent (53 mmol/mol) ohne gleichzeitige Hypoglykämien. „Die Mehrzahl der von uns betreuten Kinder und Jugendlichen mit Diabetes zeigt allerdings Stoffwechselergebnisse, die deutlich hinter den gesteckten Zielen zurückbleiben“, sagt Professor Dr. med. Andreas Neu, Präsident der DDG.
Der Kinderdiabetologe sieht Barrieren, die es für eine optimale Versorgung zu überwinden gilt, so zum Beispiel das Lebensumfeld, insbesondere der jüngeren Kinder im Vorschul- oder Grundschulalter. „Kindergarten und Schule sind in aller Regel nicht auf die Bedürfnisse chronisch kranker Kinder ausgerichtet. Das pädagogische Personal ist mit dieser Zusatzaufgabe oft überfordert. Selbst zusätzliche Inklusionskräfte können dieser Aufgabe nur bedingt gerecht werden, denn auch ihnen fehlt oftmals der medizinische Hintergrund“, so Neu. Um die Heranwachsenden zu unterstützen und deren Inklusion im Schulalltag zu fördern, seien Schulgesundheitsfachkräfte vor allem an Grundschulen, so wie es in benachbarten europäischen Ländern praktiziert wird, unabdingbar.
Mehr Psychotherapeut*innen, bitte!
Die Diabetestherapie verlangt den Kindern und Jugendlichen sowie deren Familien viel ab. Häufig sind Familien im Alltag überfordert, die Betroffenen müssen lernen, mit Ängsten umzugehen, ihre Erkrankung zu akzeptieren und in das alltägliche Leben zu integrieren. Um diese Mehranforderungen zu bewältigen, brauchen sie eine psychosoziale Unterstützung. Doch die Behandlungsteams in Praxen und Kliniken verfügen häufig weder über entsprechendes Personal, noch gibt es ausreichend psychotherapeutische Anlaufstellen. „Ein ausreichend dichtes Netz an psychotherapeutischen Angeboten ist nicht nur aus diabetologischer Sicht dringend erforderlich, sondern eine gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit“, betont der Experte.
Mehr zum Thema Kindheit und Jugend mit Diabetes vermittelt auch die 15. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) zum Schwerpunktthema „Diabetes und Adipositas – gemeinsam durch dick und dünn“ am kommenden Wochenende, den 5. bis 6. November 2021, an der Sie hybrid, also in Wiesbaden und online, teilnehmen können. Info und Anmeldemöglichkeiten finden Sie unter www.herbsttagung-ddg.de
(1) Dt. Gesundheitsbericht Diabetes 2022. Hrsg. DDG und diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe. Foto oben: Towfiqu barbhuiya, unsplash