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Hohlfuß: „Eine Diagnose, die oft übersehen wird“

Ein Hohlfuß kann sehr schmerzhaft sein und Verletzungen begünstigen. Der Stuttgarter Orthopädieschuhtechniker Marius Gabel beschreibt, wie er Patienten mit dieser Fußfehlstellung versorgt und was Podologen unbedingt zu diesem Krankheitsbild wissen müssen. Podologen sollten ihre Patienten motivieren, einen Orthopädieschuhtechniker aufzusuchen, das ist seine dezidierte Meinung: „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat sich bewährt. Es gibt sehr schöne Erfolge!“

Herr Gabel, die Beschäftigung mit den Füßen und das Handwerk des Orthopädieschuhmachers haben Tradition in Ihrer Familie …

Ja genau, bereits mein Opa hatte einen eigenen Betrieb als Orthopädieschuhmacher in Bad Mergentheim, und mein Vater ist Orthopäde und Fußchirurg – er befasst sich also als Mediziner mit den Füßen. Und ich bin als Orthopädieschuhmacher wieder im Handwerk gelandet.

Wir wollen ja über den Hohlfuß sprechen – was genau ist darunter zu verstehen?

Den einen Hohlfuß gibt es in dem Sinne nicht, denn jeder Hohlfuß ist etwas anders und zeigt unterschiedliche Belastungsmuster. Es gibt beim Hohlfuß verschiedene Komponenten: Zum einen kennzeichnet ihn die Steilstellung des Fersenbeins, aber auch die Steilstellung der Mittelfußknochen und der dadurch erhöhte Fußrücken. Häufig kommt auch noch eine Plantarisierung des ersten Strahls hinzu, das bedeutet, dass der erste Strahl, also der erste Mittelfußknochen und der große Zeh, tiefer liegen als der restliche Fuß. Das ist nicht schlimm, solange der Fuß im unbelasteten Zustand ist. Sobald es jedoch zum Bodenkontakt kommt, zwingt der Vorfuß, aufgrund der Tieferlegung des ersten Strahls, den Rückfuß in die Fehlstellung. Die Ferse neigt sich dabei nach außen, dies kann eine Instabilität mit sich bringen. Tendenziell ist die Belastung beim Hohlfuß immer auf der Ferse, auf dem Vorfuß und dem Fußaußenrand. Man unterscheidet vier verschiedene Hohlfuß-Typen: den flexiblen Hohlfuß, den fixierten oder kontrakten Hohlfuß, der dauerhaft in der Fehlposition verharrt, welche sich nicht mehr korrigieren lässt. Und dann gibt es noch den medialen Ballenhohlfuß sowie den posttraumatischen oder postoperativen Hohlfuß.

Über welche Beschwerden berichten Patienten mit Hohlfuß?

In der Fußsprechstunde klagen Patienten häufig über Beschwerden am Fußaußenrand oder – wie etwa beim medialen Ballenhohlfuß – über Beschwerden unter dem Großzehengrundgelenk. Aufgrund der knapp bemessenen Sprechstundenzeit wird oftmals schnell eine reine Außenranderhöhung oder ein Vorfußpolster mit Pelotte verschrieben. Dadurch ist das Krankheitsbild jedoch nicht richtig erfasst und somit auch nicht adäquat versorgt. Den Patienten ist dann nicht hundertprozentig geholfen. Sie kommen oft nach einiger Zeit wieder, da sie mit ihrer Versorgung nicht mehr zufrieden sind. Es gibt einen sehr einfachen Test, den so genannten Coleman-Block-Test, der die entsprechenden Symptome des Hohlfußes wie etwa die nach außen kippende Ferse aufdeckt. Anhand des Tests lässt sich erkennen, ob es sich um einen flexiblen oder einen kontrakten Hohlfuß handelt. Den flexiblen Hohlfuß kann man mittels einer entsprechenden Einlage sehr gut versorgen, welche die Tieferlegung des ersten Strahls berücksichtigt.

Das heißt also, der flexible Hohlfuß ist die „günstigere“ Variante, da er besser therapiert werden kann?

Jein. Im Prinzip werden der flexible und der kontrakte Hohlfuß gleich versorgt, je kontrakter und je ausgeprägter die Fehlstellung allerdings ist, desto anspruchsvoller muss die Versorgung sein. Irgendwann reichen Einlagen nicht mehr aus, und es muss mit einem entsprechenden Schuh gearbeitet werden. Hier genügt am Anfang eventuell eine Schuhzurichtung, oftmals ist aber ein orthopädischer Maßschuh erforderlich.

Und welche ist die häufigste Hohlfußvariante?

Das kann man so nicht sagen. Als Fußexperte muss man einfach wissen, dass es diese verschiedenen Hohlfußtypen gibt. Ohne dies zu berücksichtigen, kann keine angemessene Versorgung erfolgen. Grundsätzlich kennzeichnet sich der Hohlfuß durch das hochgesprengte Längsgewölbe und häufig auch eine Zehendeformität, nämlich Krallenzehen. In den meisten Fällen ist ein Hohlfuß erworben, also nicht etwa angeboren. Manchmal findet man keine Erklärung für diese Entwicklung, manchmal gibt es neuromuskuläre Erkrankungen, die dann durch eine neurologisch-fachärztliche Untersuchung abzuklären sind.
Manchmal gibt es aber auch einen familiären Hintergrund oder eine Insuffizienz der intrinsischen Muskulatur ist die Ursache. Zur Verdeutlichung: Ein rein idiopathischer Hohlfuß, also ohne erkennbare Ursache, ist eher selten. Früher verfolgte man bei der Versorgung des Hohlfußes Ansätze wie die so genannte Streckstufentechnik, die teils immer noch zum Einsatz kommt, und die ich selbst noch in meiner Ausbildung gelernt habe. Hier versucht man, die Hohlfußdeformität zu korrigieren. Aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse fokussiert man heute jedoch eher darauf, den Hohlfuß zu stützen und die Funktion des Fußes zu optimieren.

Nochmal zu den Ursachen: In einem Artikel, den Sie gemeinsam mit Ihrem Vater, dem Fußchirurgen Dr. Michael Gabel, verfasst haben, schreiben Sie, dass es eine Normvariante gibt, die dem Hohlfuß optisch ähnelt, aber symptomlos ist und keine Deformität darstellt … 

Ja genau, es gibt natürlich Menschen, die einen überdurchschnittlich hohen Fußspann haben, das ist aber nicht zwingend ein Hohlfuß. Wenn keine Krallenzehen, keine eingeschränkte Dorsalextension und keine abnorme Stellung der Ferse vorliegen, muss ein solcher Fuß nicht behandelt werden. (…)

Wie der Hohlfuß therapiert werden kann und welche BEhandlungsarten veraltet sind, lesen Sie in der aktuelllen Ausgabe der Podologie.

Titelbild: Foto: © Andrey Popov – AdobeStock


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