Leben retten, Füße retten – digital hilft

Leben retten, Füße retten – digital hilft

Deutsche Diabetes Gesellschaft informiert zu Chancen und Grenzen der Telemedizin in Corona-Zeiten

Stuttgart/Eisenach/Tübingen. – Ob die Corona-Pandemie ein Plus oder ein Minus an Fußamputationen mit sich gebracht hat, ist noch unklar, vermittelte die heutige Online-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Doch die insgesamt schlechtere Versorgung der Patientinnen und Patienten sowie die Ängste, die viele von Arztpraxen und Kliniken fernhalten, bergen einige Gefahren, verdeutlichten Prof. Dr. Monika Kellerer (DDG-Präsidentin), Prof. Dr. Baptist Gallwitz (DDG-Pressesprecher) und Dr. Karin Schlecht (niedergelassene Diabetologin). In gewissem Rahmen kann die Telemedizin gegensteuern.

Wenn Angst den Fuß kostet

Dr. Karin Schlechts Praxis sitzt in Eisenach/Thüringen. Die Ärztin erwähnte eine positive Auswirkung der Ausgangsbeschränkungen auf ihre Patientinnen und Patienten mit diabetischem Fußsyndrom: „Ich habe den Eindruck, Läsionen sind besser geheilt als sonst, denn die Patienten haben ihre Füße nicht so belastet.“ Aber sicherlich müsse man da differenzieren. Prof. Dr. Kellerer, Ärztliche Direktorin des Zentrums für Innere Medizin I am Marienhospital in Stuttgart, nannte ein Gegenbeispiel. „Der Patient kam sehr, sehr spät, sein Knochen war aufs Schwerste angegriffen, darum musste amputiert werden“, berichtete sie und ergänzte: „Er äußerte die Sorge, sich in einer stationären Einrichtung mit dem Corona-Virus anzustecken“. Daher sei er so spät – zu spät – in die Klinik gekommen. Insgesamt seien in den letzten Monaten viele Patientinnen und Patienten erst mit ausgeprägten diabetischen Fußwunden und Stoffwechselentgleisungen vorstellig geworden.

Die Sorge vor einer Ansteckung im Krankenhaus ist inzwischen unberechtigt und muss Patientinnen und Patienten genommen werden. Das Risiko, sich etwa in einem Restaurant zu infizieren, liegt weitaus höher. „Die Praxen sind sehr gut gerüstet im Rahmen dieser Pandemie“, so die DDG-Präsidentin. Wenn Menschen mit Diabetes trotz Beschwerden zuhause bleiben – oder ihre Kontrolltermine ausfallen lassen – tragen sie ein erhöhtes Risiko, im Falle einer Ansteckung mit COVID-19 besonders schwer zu erkranken.

Neue Studien: Stoffwechsel stabil, COVID-19 besser überwunden

Kellerer zitierte die Kernergebnisse zweier neuer Untersuchungen: „Eine chinesische Studie mit fast 1000 COVID-19-Patienten mit Typ 2-Diabetes zeigte, dass Teilnehmer mit gut eingestelltem Blutzucker eine um 86 Prozent reduzierte Sterblichkeit hatten im Vergleich zu Patienten mit sehr schlecht eingestelltem Blutzucker (1)“, informierte sie. Eine englische Studie deute in dieselbe Richtung (2).

Blutzucker messen bei Diabetes
Blutzucker und COVID-19-Verlauf – es gibt wohl eine Verbindung. Foto: Tesa Robbins, Pixabay

„Telemedizin und Videosprechstunden können nicht dauerhaft den direkten Arztkontakt ersetzen, gerade wenn es um akute Komplikationen wie Infektionen oder Fußläsionen bei Diabetes oder um einen neu diagnostizierten und schwer entgleisten Diabetes geht“, empfahl Kellerer. In vielen anderen Fällen biete die Telemedizin jedoch attraktive diagnostische und Beratungsmöglichkeiten. Auch Zweitmeinungen können mit ihrer Hilfe eingeholt werden.

Dr. Karin Schlecht hob hervor, dass Patienten mit Diabetes sowieso schon von modernen Technologien profitieren – Stichworte: Insulinpumpen, kontinuierliche Glukosemessung. Die Telemedizin ist einfach zu nutzen, jeder mit Internetzugang und Smartphone oder Tablet kann sich stressfrei einwählen und daran teilhaben. Egal, wo er lebt, reist oder arbeitet, auch abends oder am Wochenende, selbst wenn er nicht mobil ist. Ob Videosprechstunde, Telemonitoring oder Telekonsile, alles ist auf diese Weise möglich. Gerade der Fuß ist sehr gut darstellbar. In Videokonferenzen kann auch die Wundmanagerin oder Podologin, die den Patienten behandelt, sich direkt mit einer Ärztin abstimmen oder Ärzte verschiedener Fachrichtungen tauschen sich zu einem Patienten aus.

„Wir können den Krankheitsverlauf gut beobachten, sehen, ob jemand erkältet ist und wir können Daten und Fotos austauschen“, lobte Schlecht. Daher solle die Telemedizin für Menschen mit Diabetes unbedingt weiter ausgebaut werden. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) gab es am 18. Mai 2020 bereits 25.000 Praxen in Deutschland, die Videosprechstunden anbieten.

Datenschutz muss gewährleistet sein

Prof. Dr. Baptist Gallwitz, Stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik IV der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hob weitere Möglichkeiten der Telemedizin hervor: Dadurch können durchgehend Patientenschulungen stattfinden, nur eben online. Digitale Patientenakten sorgen zudem für einen schnellen Überblick über den Verlauf einer Erkrankung und die Medikation. Gallwitz nannte konkrete Vorteile: „Auch in Notfallsituationen und bei einer Versorgung über mehrere ,Sektorengrenzen‘, zum Beispiel bei einer lückenlosen Versorgung vom Notarzteinsatz bis zur Krankenhausbehandlung und zurück zur Entlassung und hausärztlichen Versorgung können wichtige Daten und Befunde in Echtzeit an die nächsten Behandler in der Versorgungskette weitergeleitet und übertragen werden.“ Wenn die digitale Patientenakte schon vor dem Notfallpatienten im Krankenhaus eingetroffen ist, oder wenn der Hausarzt sofort bei der Entlassung aus der Klinik alle Daten und Fakten kennt, sparen alle wertvolle Zeit. Außerdem wird Missverständnissen vorgebeugt.

,,Datenschutz ist ganz, ganz wichtig, hier muss auch der Patient das Heft in der Hand haben“, räumte Gallwitz ein. ,,Er muss selbst in der Hand haben, welche Daten er zu Verfügung stellt und das muss auch flexibel und vom Patienten steuerbar bleiben.“ Für Datenbanken seien die Daten zudem zu anonymisieren.

Wird all das beachtet, zeigten die Experten sich einig, bietet die Telemedizin Menschen mit Diabetes und allen, die sich um sie kümmern, viele Vorteile. Das kann Füße und Menschenleben retten – auch weit über Corona-Zeiten hinaus.

Die zitierten Studien zu COVID-19 und Diabetes:

(1) Lihua Zhu et al., Association of Blood Glucose Control and Outcomes in patients with Covid-19 and Pre-existing Typ 2 Diabetes, Cell Metabolism 31, 1–10, June 2, 2020 https://www.cell.com/cell-metabolism/pdfExtended/S1550-4131(20)30238-2
(2) Williamson E. et al., factors associated with COVID-19-related hospital death in the linked electronic health records of 17 million adult NHS patients. PREPRINT https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.05.06.20092999v1

Diabetes Kongress in Berlin ab 23. Mai entfällt

Anders als in der nächsten podologie angekündigt: DDG sagt Veranstaltung in Berlin ab

Berlin (pm) – Nach Redaktionsschluss der podologie 04/2020 erreichte uns folgende Nachricht: Angesichts der aktuellen Gefährdungslage durch die Corona-Pandemie hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) beschlossen, den Diabetes Kongress, der in diesem Jahr vom 20.-23. Mai 2020 in Berlin zum 55. Mal stattfinden sollte, zu diesem Zeitpunkt nicht durchzuführen. Damit kommt die DDG ihrer großen gesellschaftlichen wie individuellen Verantwortung nach.

„Die Ärzteschaft sowie Pflege- und Beratungsberufe sind aktuell ganz besonders in der Patientenversorgung gefordert“, erklärt Professor Dr. med. Monika Kellerer, Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Bereits mit der Verschiebung ihres Parlamentarischen Jahresempfangs im März hat die DDG ihre Verantwortung wahrgenommen, um aktiv eine weitere Verbreitung des Corona-Virus durch Kontaktreduzierung einzudämmen. Die COVID-19-Pandemie zwingt die gesamte Gesellschaft zu immer rigoroseren Einschränkungen. So hat die Stadt Berlin, als vorgesehener Tagungsort des DDG-Kongresses, ein Versammlungsverbot ab 50 Personen erlassen. Die DDG-Präsidentin betont: „Unabhängig davon wäre eine Großveranstaltung, an der über 6000 Personen vornehmlich aus Arzt-, Pflege- und Beratungsberufen teilnehmen, aus heutiger Sicht unverantwortlich.“ Sie würde nicht nur die Ausbreitung des Virus beschleunigen, sondern zugleich den Personenkreis betreffen, der mit dessen Bekämpfung betraut und somit unabdingbar systemrelevant ist.

Neue Möglichkeiten werden geprüft

Die Entscheidung war unausweichlich, ist aber trotzdem nicht leichtgefallen, da das gesamte Kongressprogramm bereits bis ins Detail vorliegt. „Unser ganz besonderer Dank gilt Herrn Professor Hendrik Lehnert und seinem Kongresskomitee für das große Engagement und die hervorragende Organisation eines wissenschaftlichen Programms auf höchstem Niveau mit hochkarätigen nationalen und internationalen Rednern und einem vielversprechenden Rahmenprogramm“, sagt Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG. „Wir sind sicher, dass diese Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden kann und prüfen derzeit alle Optionen.“ Ferner gelte der Dank auch allen weiteren Beteiligten, die viel Arbeit in die Gestaltung ihrer Symposien, Workshops und Beiträge investiert haben.

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Nationale Diabetesstrategie der Koalition vor dem Aus?

Diabetes-Verbände kritisieren unverantwortliches Handeln der Regierung

Berlin (pm). Die Anzahl der Diabeteserkrankungen in Deutschland steigt seit Jahren beständig an. Für 2040 liegen die Prognosen bei 12 Millionen Betroffenen. Um gesundheitspolitisch gegenzusteuern, wurde im Koalitionsvertrag 2018 eine Nationale Diabetesstrategie beschlossen, die laut aktuellen Informationen zu scheitern droht. Grund ist demnach der Widerstand von Politikern des Ernährungsausschusses gegenüber einem Passus im Entwurf zu Ernährungsfragen, der vor allem dem Schutz der Kinder dient. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe halten das Scheitern der Diabetesstrategie für unverantwortlich. Die Koalition riskiere damit die Gesundheit künftiger Generationen.

Über eine halbe Million Deutsche erkranken jedes Jahr neu an Diabetes mellitus. Neben dem persönlichen Leid sind auch die Behandlungskosten dieser Volkskrankheit beträchtlich: Die Versorgung der Patienten inklusive der Begleit- und Folgeerkrankungen von Diabetes kostet den Staat jährlich über 21 Milliarden. „Es ist seit Jahren bekannt, dass die Prävention, Früherkennung, Erforschung und Versorgung der Volkskrankheit Diabetes politisch konsequent angegangen werden muss und keinen Aufschub mehr duldet“, erklärt DDG-Präsidentin Professor Dr. med. Monika Kellerer.

Nationale Diabetesstrategie endlich durchsetzen

Im vergangenen Jahr hatte sich die Koalition weitgehend auf Kernpunkte einer Nationalen Diabetesstrategie zur Bekämpfung steigender Erkrankungszahlen geeinigt. Bis heute scheinbar nicht überwindbarer Widerstand kommt aus dem Ausschuss für Ernährung, der sich an den Zielformulierungen im Ernährungsteil des Papiers entzündet und nun das gesamte Vorhaben gefährdet. Im Kern geht es um Maßnahmen zur verbindlichen Zuckerreduktion in Lebensmitteln sowie ein Werbeverbot zuckerhaltiger Lebensmittel für Kinder. „Wissenschaftlich ist belegt, dass diese Maßnahmen wirken, da sie einerseits Auswirkungen auf das Kaufverhalten haben, andererseits die Hersteller animieren ihre Rezepturen gesünder zu gestalten. Wir halten diese Aspekte für essentiell bei der Umsetzung einer Nationalen Diabetesstrategie“, erklärt Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG. „Es ist unstrittig, dass ungesunde Ernährung einen großen Risikofaktor für die Entstehung eines Diabetes darstellt. Daher ist es zwingend notwendig, allen Bürgerinnen und Bürgern die Entscheidung für eine gesunden Ernährung zu erleichtern.“

Wer viele pflanzliche, unverarbeitete Nahrungsmittel zu sich nimmt, ernährt sich gesund … doch verhältnismäßig teuer.

„Die Koalition muss nun Vertragstreue beweisen und das im Koalitionsvertrag gemeinsam beschlossene Vorhaben endlich umsetzen. Es ist unverantwortlich, dass anscheinend einseitige Interessen der Lebensmittelindustrie einen größeren Stellenwert haben als dringend notwendige Strukturveränderungen in der Diabetesversorgung und -prävention, und dadurch das gesamte Vorhaben zu kippen droht“, kritisiert Dr. med. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. Mit einem Scheitern der Nationalen Diabetesstrategie verspiele die Regierung ihre Glaubwürdigkeit und komme ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nach.

Deutschland hinkt anderen Ländern hinterher

Gerade jüngst hatten in einer Umfrage der Deutschen Diabetes-Hilfe 86 Prozent der befragten Menschen mit Typ-2-Diabetes kundgetan, dass sie sich nicht angemessen von der Politik vertreten fühlen, so der Hamburger Diabetologe Kröger.

„Ohne verbindliche Ernährungsmaßnahmen droht die Gesamtstrategie gegen den Anstieg von Diabetes und Adipositas zu scheitern“, warnt auch Professor Dr. med. Andreas Neu, DDG Vizepräsident. „Die Zuckerreduktion in Lebensmitteln für Kinder und Verbote von Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, ist unverzichtbar für den gesundheitlichen Schutz künftiger Generationen“, konstatiert der Oberarzt in der Diabetes-Ambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Tübingen. Erst kürzlich zeigte eine Studie, dass Werbung einen größeren Einfluss auf das Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen ausübt als deren Eltern.1

Werbestars mit schweren Folgen: Fast Food wie Burger und Pommes stehen bei Jung und Alt hoch im Kurs.

Die Fachverbände appellieren nachdrücklich an die verantwortlichen Politiker, die Nationale Diabetesstrategie weiter voranzutreiben und dringen darauf, verhältnispräventive Maßnahmen unbedingt zu berücksichtigen. Seit Jahren fordern Diabetes-Verbände ein politisches Gesamtkonzept für mehr Diabetesprävention und eine bessere medizinische Versorgung.2 „Andere EU-Länder sind uns weit voraus und haben bereits eine Diabetesstrategie oder einen Aktionsplan“, betont Bitzer. Es sei für das bevölkerungsreichste europäische Land mit einem großen Diabetes-Problem ein Armutszeugnis, das nicht zu schaffen. Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

Weitere Informationen:

1Emond JA et al.: Influence of child-targeted fast food TV advertising exposure on fast food intake: A longitudinal study of preschool-age children. Appetite. 2019 Sep 1;140:134-141

Studie: Werbung verdoppelt Fast Food-Konsum bei Kindern: https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/presse/ddg-pressemeldungen/meldungen-detailansicht/article/studie-werbung-verdoppelt-fast-food-konsum-bei-kindern.html 

2Kernforderungen von DDG, diabetesDE Deutsche Diabetes-Hilfe und VDBD für eine Nationale Diabetesstrategie: https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/2019/Politische_Forderungen_der_DDG_diaDE-VDBD_Nationale_Diabetesstrategie_2019_final.pdf

Mit Telemedizin Amputationen verhindern

Berlin (ddg). Jeder vierte Diabetespatient bekommt im Laufe seines Lebens ein Diabetisches Fußsyndrom (DFS). Häufig werden Anzeichen der Erkrankung zu spät erkannt – dann bleibt Betroffenen unter Umständen nur die Entscheidung zur Amputation. Um Symptome rechtzeitig zu diagnostizieren und die richtige Behandlung einzuleiten, empfiehlt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) eine Beratung mit DFS-Experten – auch per Telemedizin.

Bei vielen Patientinnen und Patienten ist der Auslöser für ein DFS eine zunächst harmlose Fußverletzung. Da das Immunsystem bei Diabetespatienten bereits geschwächt ist, können sich kleine Verletzungen oder Druckstellen jedoch schnell zu großflächigen Wunden entwickeln, die das Gewebe zerstören. „Meist werden diese Verletzungen zu spät erkannt und unzureichend behandelt“, sagt DDG-Vorstandsmitglied Professor Dr. med. Ralf Lobmann. Das könnte sich dank einer telemedizinischen Vernetzung von Hausärzten mit den Experten der Arbeitsgruppe Diabetischer Fuß der DDG ändern. Lobmann betont: „Die Heilungschancen steigen, wenn zwischen dem Auftreten erster Symptome, der Vorstellung beim Arzt, der Diagnose und schließlich der Behandlung durch einen Spezialisten möglichst wenig Zeit vergeht.“

Facharztkonsil: Mehr Expertise, weniger Wartezeit

An dieser Stelle setzt ein neues Konzept der DDG an: Die Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß und der Bund der Internisten (BDI) haben gemeinsam ein telemedizinisch basiertes Facharztkonsil für den diabetischen Fuß entwickelt. Mithilfe dessen sollen Risikopatienten rechtzeitig identifiziert, der Heilungsverlauf verbessert und verkürzt und Amputationen vermieden werden. „Außerdem überbrückt die Telemedizin Überweisungszeiten oder räumliche Distanzen und bietet so die Möglichkeit, betroffene Patienten möglichst schnell in ein Behandlungsnetzwerk aufzunehmen“, erklärt Lobmann. Auf diesem Wege würde eine adäquate ambulante Therapie oder eine rasche stationäre Behandlung gesichert. Derzeit laufen Gespräche mit verschiedenen Kostenträgern an, damit dieses Konzept möglichst schnell in die Praxis überführt werden kann. „Wir hoffen, dass bald positive Entscheidungen getroffen werden, sodass DFS-Patienten schnellstmöglich davon profitieren“, ergänzt DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer.

Baden-Württemberg: Zweitmeinung binnen 36 Stunden

Aktuell läuft zudem ein zweites Projekt zur telemedizinischen Zweitmeinung in Baden-Württemberg, durch das Landesministerium für Soziales und Integration unterstützt und gefördert. „Über ein Evaluierungssystem lädt der behandelnde Arzt die Daten hoch und ein Experte bewertet diese innerhalb von 36 Stunden. Es sieht vor, dass zeitnah durch einen Experten die Notwendigkeit einer Amputation bestätigt oder eine Alternative aufgezeigt werden kann“, erklärt Lobmann. „Außerdem erhöht es die Entscheidungssicherheit des behandelnden Arztes sowie des Patienten und dessen Angehörigen“. Als Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik 3, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie des Klinikums Stuttgart verantwortet Lobmann dieses Landes-Projekt mit.

Eine Chance (nicht nur) für Dorfbewohner

Für DDG-Präsidentin Professor Dr. med. Monika Kellerer bietet die Telemedizin darüber hinaus ein großes Potential, um die Unterversorgung von Diabetespatienten im ländlichen Raum auszugleichen: „Aktuell greift die Versorgung besonders gut in Ballungsräumen, wohingegen es auf dem Land nur wenige Diabetologinnen und Diabetologen gibt. Die Telemedizin könnte diese Distanz überbrücken und Versorgungsunterschiede ausgleichen.“ Durch die schnelle und einfache Möglichkeit, per Telemedizin eine zweite Meinung einzuholen, könnten die behandelnden Ärzte weitere Experten aus anderen Regionen zu Rate ziehen und Vermutungen bestätigen. „Auch die Kommunikation zwischen den Ärztinnen und Ärzten wird in diesem Prozess befördert und trägt zu einer anregenden Kultur des Austauschs bei“, befürwortet Kellerer.

Literatur:

Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2019: https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/Gesundheitspolitik/20181114gesundheitsbericht_2019.pdf