Berlin (DGVS/red) – An Weihnachten und zum Jahreswechsel fließt reichlich Alkohol. Eine gute Gelegenheit, um dem Körper danach eine Erholungspause zu verschaffen, ist der so genannte „Dry January“, und es ist keinesfalls zu spät, jetzt damit zu beginnen und die Tage einfach im Februar hinten anzuhängen. Denn bei dieser ursprünglich aus England stammenden Gesundheitskampagne wird einen Monat lang – hier eben den Januar über – bewusst auf Alkohol verzichtet. Auch die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V. ruft zur Teilnahme auf. Damit tut man nicht nur der Leber, sondern beispielsweise auch der Bauchspeicheldrüse, dem Magen und dem Darm etwas Gutes.
Das Land der Dichten und Trinker?
Die Tendenz beim Alkoholkonsum ist insgesamt eigentlich positiv: In den vergangenen 40 Jahren ist der Alkoholkonsum in Deutschland stetig gesunken. Das betrifft sowohl den Verbrauch insgesamt als auch die Häufigkeit des so genannten Rauschtrinkens, bei dem an einzelnen Tagen deutlich überhöhte Alkoholmengen konsumiert werden. Dennoch liegt der für Deutschland ermittelte jährliche Durchschnittsverbrauch laut Alkoholatlas mit elf Litern reinen Alkohols pro Kopf noch immer deutlich zu hoch. Mit dieser Menge, die ungefähr 220 Litern Bier oder 88 Litern Wein entspricht, zählt Deutschland im internationalen Vergleich zu den Hochkonsumländern. Viele leiden unter Folgeschäden, für Einzelne sind die Konsequenzen verheerend. Und gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist trotz des insgesamt sinkenden Konsums das punktuelle Rauschtrinken noch immer zu weit verbreitet.
Schon die tägliche „Halbe“ ist zu viel
„Viele Menschen sind sich gar nicht im Klaren darüber, dass sich ihr Trinkverhalten bereits in einem problematischen Bereich bewegt“, sagt Professor Dr. med. Heiner Wedemeyer, Mediensprecher der DGVS und Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Als risikobehaftet gelten für Männer schon Alkoholmengen ab 24 Gramm täglich – das entspricht ungefähr einem Standardgetränk, also etwa einem halben Liter Bier oder einem „Viertele“ Wein. Für Frauen liegt die Grenze sogar nur halb so hoch. „Außerdem sollten Männer wie Frauen auf mindestens zwei alkoholfreie Tage pro Woche achten“, erklärt Wedemeyer.
Trinken begünstigt über 200 Erkrankungen
Wer regelmäßig und langfristig mehr trinkt, riskiert schwerwiegende Gesundheitsfolgen. Alkohol ist nicht nur eine Hauptursache für Leberzirrhosen, von der in Deutschland bis zu einer Million Menschen betroffen sind, sondern an der Entstehung von mehr als 200 anderen Krankheiten beteiligt – von Organschäden und Herz-Kreislauf-Krankheiten über psychische Störungen bis hin zu einem erhöhten Risiko für verschiedene Krebsarten. DGVS-Experte Professor Dr. med. Patrick Michl, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Halle (Saale) befasst sich besonders mit den Auswirkungen auf die Bauchspeicheldrüse (Pankreas): „Hier kann es ebenso wie in der Leber zu einer alkoholbedingten chronischen Entzündung kommen“, erklärt er. Eine chronische Pankreatitis macht sich zunächst durch Bauchschmerzen bemerkbar, geht aber auch mit einem fortschreitenden Funktionsverlust der Pankreas einher. In der Folge können Verdauungsstörungen, chronische Durchfälle oder ein Diabetes mellitus auftreten. „Eine weitere, besonders gravierende Folge der chronischen Pankreatitis ist die Entwicklung eines Bauchspeicheldrüsenkrebses “, sagt Michl. Dieser zähle zu den aggressivsten Tumorarten überhaupt, lasse sich oft nur schwer behandeln und verlaufe in vielen Fällen innerhalb weniger Jahre tödlich.
Auch Polyneuropathien können durch den übermäßigen Alkoholkonsum entstehen – so manche Patientin und mancher Patient in der Podologie hat das Gefühl in einem Fuß (oder beiden) durch eine Alkoholerkrankung verloren. Mehr darüber lesen Sie in der kommenden PODOLOGIE 1-2 2022, die am 3. Februar veröffentlicht wird.
Verschnaufpause für den Körper und die Seele, die Weichen stellen kann
Eine Karenzzeit wie der „Dry January“ bietet nicht nur dem Körper eine Chance zur Erholung. „Vor allem kann er – gerade auch in schwierigen Zeiten wie aktuell der Coronapandemie – als Gelegenheit genutzt werden, das eigene – möglicherweise problematische – Verhältnis zum Alkohol zu überdenken und zu prüfen, ob man dieses verändern sollte “, so Wedemeyer. Im Idealfall führe das zu dem Entschluss, den Konsum auch in den übrigen Monaten des Jahres zu reduzieren und nicht sofort in alte Muster zurückzufallen – denn nur dann könne der „Dry January“ die Gesundheit auch auf lange Sicht positiv beeinflussen.
Die positiven Folgen sind nicht von der Hand zu weisen: Das Einschlafen mag zu Beginn schwerer fallen, doch insgesamt vertieft und verbessert sich der Schlaf. Die Haut verjüngt sich, durch die verringerte Kalorienzufuhr können die Kilos purzeln. Viele berichten von mehr Klarheit und Produktivität und einem Plus im Portemonnaie. Alles spricht also für den regelmäßigen alkoholfreien Monat – oder sogar mehrere. Foto: Engin Akyurt, Unsplash
Quellen:
- „Alkoholatlas Deutschland“ Deutsches Krebsforschungszentrum https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/sonstVeroeffentlichungen/Alkoholatlas-Deutschland-2017_Doppelseiten.pdf
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 6500 in Klinik und Forschung tätige Ärztinnen und Ärzte unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle der Patientinnen und Patienten.