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Kurzgeschichte: Die Botschaft des Weihnachtskaters

Ja, lacht bloß, wenn ich an euch vorüberziehe. Macht euch nur lustig über meine dürre Mitte und mein vernarbtes Hinterteil. Die Narben an meinem Bauch seht ihr zum Glück nicht: Da wuchs Fell drüber. Sie mussten mich schwer verstümmeln in der Tierklinik, um mich zu retten. Der Fairness halber muss gesagt werden, dass ich mich zu wehren verstand. Mit Krallen und Zähnen. Doch die waren viele, und die hatten Spritzen. Ein kleiner Faucher – dann schlief ich ein.

Vorher – nachher

Jedenfalls habe ich überlebt, und dafür bin ich dankbar. Denn vorher war ich ein fetter, verwöhnter, nicht sehr intelligenter Wohnungskater – nun habe ich dem Tod ins Auge gesehen und fühle mich weise. Und zum Fest der Liebe möchte ich meine Weisheit mit euch teilen.

Denn ich bekomme durchaus mit, selbst hier, in meinem Refugium mit meinem Bruder und meinen vier Menschen, dass ihr da draußen zum Großteil schwere Zeiten durchmacht. Seit langem schon. Ich merke es an den Gesprächen, die meine Menschen führen, an der Traurigkeit und manchmal auch Wut in ihren Stimmen. Daran, dass ich sie viel mehr für mich habe und viel seltener Gäste kommen. Also, nicht, dass ich die Reisen meiner Menschen vermissen würde (die viele Zeit allein! Viel zu kurze Streicheleinheiten der Catsitter, viel zu selten Fressi!). Oder das, was sie Partys nennen (der Lärm! Die Gerüche! Diese Menschenmassen!). Aber mir fehlt die Leichtigkeit. Das ausgewogene Verhältnis von Gemeinsam-Zeit und sturmfreier Bude. Außerdem sitzt mein Frauchen viel öfter nachts am Computer als früher, sodass ich einen Schlafplatz direkt im Regal dahinter beziehen musste, von dem aus ich auf sie aufpasse. Wenn ich denke, es werde zu viel, springe ich auf ihre Tastatur. Zack – Streicheleinheiten für mich, Pause fürs Frauchen.

Das Leben ist schwer, aber …

Aber ich schweife ab! Ihr habt eine schwere Zeit, Pandemie, Klimawandel, Zukunftssorgen und so weiter. Das sind die Stichworte, die ich gerade so aufschnappe. Und dass ihr euch miteinander gerade echt schwertut. Ihr Menschen erkennt euer Umfeld teilweise nicht wieder, die Geschwister, Cousins und Cousinen, den besten Kumpel, die Lieblingskollegin, das erwachsene Kind, die alten Eltern. „So-und-so schreibt nicht und ruft auch nicht an.“ – „XY ist so abweisend geworden.“ – „ABC hat niemals Zeit für ein Treffen.“ Zusammengefasst: Die Welt ist schlecht und alle sind doof.

Doch weil ich inzwischen ein weiser Kater bin, habe ich auch gelernt, dass die Welt zwar wirklich schlecht ist, das Leben aber meistens schön! Und dass es viele Leute gibt, die sich aufreiben, um die Welt ein wenig besser zu machen. Das kann durchaus wehtun (wie in meinem Falle die vielen Operationen). Wer sich gerade irgendwo engagiert, für Menschen, für Tiere, für die Umwelt, der hat leider wenig Zeit für Freunde und Verwandte. Selbst, wenn man so wenig schläft wie ihr Menschen. Ich genehmige mir nachts und tagsüber jeweils 8 Stunden Ruhe, macht zusammengerechnet 16 – das solltet ihr echt mal ausprobieren!

Ihr möchtet wissen, was die, die ihr vermisst, in dieser Zeit so treiben, statt sich bei euch zu melden? Ich höre gut zu, wenn meine vier hier diskutieren und auch, wenn das Radio oder der Fernseher laufen. Die Welt besser zu machen kann zum Beispiel heißen, für die Nächsten da zu sein. Das dauert gerade länger als früher. Stichworte: Homeoffice und Homeschooling. Wer es mal versucht hat, weiß, wieso es so viel Zeit und Energie frisst. Mehr Absprachen, mehr Fehlerquellen und immer wieder Ärger mit der Technik. Viele müssen zudem mehr Arbeitsstunden leisten, um sich und ihre Lieben zu ernähren, weil fast alles teurer wurde und in einigen Jobs viel weniger erwirtschaftet werden kann. Andere haben genug Geld, engagieren sich aber gerade ehrenamtlich. Und dann gibt es noch die Berufe, die nun doppelt so anspruchsvoll sind wie zuvor, von Erzieher über Busfahrerin bis hin zu Verkäufer, Podologin, Ärztin, Putzhilfe, Friseur, Polizistin, Koch oder Universitätsprofessorin.

Wenn aus Glückskindern Pechvögel werden

Dann gibt es noch diejenigen Menschen, die sich zuvorderst um sich selbst kümmern. Die derzeit nicht die Kraft haben, irgendetwas draußen zu verändern. Die dazugehörigen Stichworte lauten: Erschöpfung, Angst, Depression. Ich habe es noch nicht ausprobiert, aber was ich darüber höre, lässt mich verstehen: Das will ich nicht. Ein Beispiel: Menschen schlafen so viel wie Katzen, aber statt danach fröhlich herumzuspringen wie ich jetzt, hängen sie immer noch schmerzerfüllt in der Ecke. So wie ich direkt vor meinen Operationen. Ich war teilweise so schwach, dass Frauchen mir das Futter und die Spritze mit Wasser ins Maul schieben musste. Auf euch Menschen übertragen: In diesem Zustand geht es nur ums Überleben. Ums Da-Raus-Kommen. Kein fröhlicher Anruf, kein Treffen, keine Weihnachtskarte.

Frauchen erzählt auch immer wieder von Menschen, die sie kennt und die sie immer für Glückskinder hielt, bis sie es eines Tages nicht mehr waren. Stichworte: Todesfall in der Familie, Fehlgeburt, Autounfall, Hochwasserschäden, Wohnungsbrand, Gewalt, Trennung, Scheidung, Kündigung, Krebs, Herzerkrankung, Psychose, Rheuma, COPD … und noch so viele mehr. „Unter jedem Dach ist ein Ach“, sagt sie dann.

Das Ach unter diesem Dach wäre dann heuer ich gewesen. Ein Vierteljahr voller Schmerzen und Sorgen.

Aber so, wie ich überlebt habe, erst die spitzen Blasensteine, dann die OP-Komplikationen, weswegen man buchstäblich Stücke aus mir rausschneiden musste, so seid auch ihr Menschen erstaunlich zäh. Glaube ich. Und es gibt viel mehr Nette als Doofe. Darum sage ich euch heute zur Weihnacht: Seid nicht zu enttäuscht und sauer anderen gegenüber. Nehmt es nicht persönlich, wenn der eine oder die andere gerade abweisend wirkt. Ihr wisst nicht, welchen Kampf diese Person gerade kämpft. So, wie mir lange niemand angemerkt hat, dass mein Bauch der Blasensteine wegen ständig drückte (wir Kater können Schmerzen sehr gut überspielen, schließlich sind wir harte Raubtiere!)

Ganz viele G für euch!

Hofft auf bessere Zeiten, so wie mein Frauchen und ihre Töchter, die nach meinem letzten Klinikaufenthalt vier Wochen lang täglich meine Wunden desinfizierten, eincremten und den Verband wechselten. Mit Erfolg: Ich wurde wieder! Mit Narben, nun gut. Dafür bin ich nun ein bisschen weise.

Darum wünsche ich euch eine friedliche, fröhliche Weihnacht und nicht nur läppische 2 oder 3 G, sondern ganz viele! Meine Gs heißen: Gesundheit, Gelassenheit, Glück, Genuss, Gemütlichkeit und – wenn ihr darauf steht – Geselligkeit. Geschenke hingegen sind überbewertet, bei uns gibt’s heuer keine. Meine Menschen sagen: Dass ich noch da bin, sei ihr größtes Geschenk. Und wenn da draußen jemand ist, den ihr vermisst, von dem ihr denkt, er oder sie möge euch nicht mehr— dann nehmt das G für Geduld. Vielleicht bringt euch 2022 ja die Gelegenheit für einen Neuanfang.

Und jetzt bin ich hungrig. Zeit für mein zucker- und getreidefreies Nassfutter mit mindestens 70 Prozent Fleischanteil, das ich seit meinen OPs täglich schnabuliere und inzwischen durchaus lecker finde. Nun bleibt, noch ein „guten Rutsch!“ hinterherzuschieben sowie Grüße von meinem Frauchen. Sie, das ganze PODOLOGIE-Team und ich wünschen euch nur das Beste. Text: Petra Plaum, Foto: Andreas Brún, Unsplash

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