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Podologische Hausbesuche: Vorbereitung und klare Kommunikation zahlen sich aus

Die Nachfrage nach podologischen Hausbesuchen steigt stetig. Patient:innen in den eigenen vier Wänden oder im Pflegeheim zu therapieren, kostet mehr Zeit und körperlichen Einsatz und erfordert Organisationsgeschick. Andreas Flinner verrät, wie es sich trotzdem erfolgreich wirtschaften lässt und was Hausbesuche schöner und leichter macht.

Andreas Flinner, Podologe seit mehr als drei Jahrzehnten, sieht es als seine Pflicht an, immobile Patient:innen zu therapieren. „Im Kassenvertrag steht klipp und klar, dass man Hausbesuche im Einzugsgebiet der Praxis anbieten muss, wenn man eine Kassenzulassung hat“, merkt er an. „Klar sagen viele Podologinnen und Podologen, wenn jemand anfragt: Wir sind aber voll. Das finde ich jedoch nicht sozial!“ Flinner sichert den Patienten seiner Praxis „Fußwerk“ im hessischen Bad Hersfeld zu: „Wenn Sie nicht mehr kommen können, dann kommen wir zu Ihnen!“

„Ich rede nicht von der jungen Frau, die aus Bequemlichkeit Hausbesuche wünscht“, betont Flinner. „Ich meine auch nicht diejenigen, die zwar alt sind, aber bei denen täglich erwachsene Enkelkinder zum Bienenstich vorbeischauen. Sie könnte ja ein Enkel alle paar Wochen zur Behandlung fahren.“ Doch Menschen ohne Familienanschluss, Menschen im Pflegebett, Menschen im Seniorenheim – für die möchte er da sein, und dafür scheuen er und sein Team keine Mühen.

Podologische Hausbesuche: „Organisation ist alles“ – Grundsätzliches

Andreas Flinner kennt natürlich die Nachteile der Haus- und Pflegeheimtermine, die Podologinnen und Podologen den Alltag erschweren:

  • Aufgrund der Anreise und weiteren Faktoren wie zum Beispiel der Parkplatzsuche sind sie zeitintensiver
  • Die umfangreiche Ausrüstung muss transportiert werden, oft über längere Strecken
  • Schwer zugängliche Steckdosen, schlechte Lichtverhältnisse und enge Zimmer machen das Behandeln vor allem im Privathaushalt kompliziert
  • Die Therapie fordert eine erhöhte Beweglichkeit, verglichen mit der Praxis, und zwingt Behandelnde oft über eine längere Zeit in eine belastende Haltung
  • Falsch ausgefüllte Heilmittelverordnungen bedeuten erhöhten Aufwand, um Behandlungen bezahlt zu bekommen
  • Kognitiv eingeschränkte Patient:innen brauchen viel gutes Zureden, was Zeit kostet, und lehnen manchmal Behandlungen ganz ab.

Das Motto des Hteapeuten, um podologische Hausbesuche durchzuführen lautet: „Organisation ist alles“. Speziell bei Privathaushalten ist eine gute Planung rund um die Anreise, die Tagesroute und das Parken unverzichtbar, weiß Andreas Flinner. Wichtig ist auch eine hochwertige, individuell sinnvolle Ausrüstung.

Das fängt schon beim Fußpflegegerät an. „Wir arbeiten mit der Spraytechnik, doch andere finden die Trockentechnik mit Absaugen besser – das muss jeder für sich entscheiden“, nennt er ein Beispiel. Ebenfalls zu klären ist die Art des Transports durch enge Treppenhäuser und lange Gänge. Die einen favorisieren einen Rucksack, um die Hände frei zu haben, andere einen Rollenkoffer oder das Transportieren von Koffern mit einer robusten Sackkarre. Hier gilt es auszuprobieren, was dem eigenen Körper und den Gewohnheiten am ehesten entgegenkommt.  

Ebenso wichtig wie die Instrumente, Hygiene- und Pflegeausstattung sind Hocker und Fußstütze, um während der Behandlung den eigenen Bewegungsapparat zu schonen. Steril verpackte und benutzte Instrumente sind in zwei unterschiedlichen Behältnissen zu verstauen. „Und es braucht eine Lichtquelle“, ergänzt Flinner. „Wir nutzen eine Lupenleuchte auf dem Kopf, eine Höhlenlampe also.“

Das „Wir“ verrät es: Andreas Flinner kann in seiner Praxis auf Unterstützung zählen. Zum podologischen Team gehören seine Kinder Anna-Lena und Marek. Ehefrau und Mutter Thea Flinner ist unter anderem am Empfang und im Praxismanagement aktiv. Eine Besonderheit ist, dass bei den Hausbesuchen eine Assistentin mit dabei ist – eine medizinisch-technische Fachangestellte, die zuvor viel Erfahrung bei einem Hausarzt sammelte, der ebenfalls Hausbesuche anbot.

Wer sich gerade selbstständig gemacht hat und sich den Patient:innenstamm noch aufbaut, muss natürlich oft alleine auf Hausbesuche. Ebenso alle, die zwar eine Assistenz suchen, aber noch keine gefunden haben. Flinner empfiehlt in diesen Fällen, die Ausrüstung besonders sorgfältig auszusuchen und aufs Gewicht und ihre Handlichkeit zu achten. Hier ist jede Tour noch besser vorzubereiten. Ob allein oder zu zweit, Pausen sind wichtig: „Arbeitsrechtlich sind sie vorgeschrieben – das klappt mit Angestellten besser, als wenn man als Selbstständiger alleine unterwegs ist. Aber sinnvoll sind sie immer“, versichert Flinner.

Besonderheiten im Pflegeheim

In den letzten Jahren ist die Zahl der Hausbesuche des „Fußwerks“ auf 400 pro Monat gestiegen, berichtet Flinner. 300 von ihnen führen in Pflegeheime in der Region. Das Angenehme am Ortstermin im Heim: Die Termine lassen sich gut vorbereiten. „Hierzu braucht es eine klare Kommunikation“, empfiehlt Flinner. „Und zwar nicht in jeder Station mit jemand anderem, sondern mit einer zentralen Person, am besten der Pflegedienstleitung.“

Die Pflegedienstleitung sorgt dafür, dass alle Heilmittelverordnungen korrekt ausgefüllt vorliegen – sieben Tage vor dem jeweiligen Termin. Das „Fußwerk“-Team prüft alles und was nicht korrekt ist, kann rechtzeitig von der Arztpraxis korrigiert werden. Flinner hat schon von vielen Kolleginnen und Kollegen gehört, dass es mit Heilmittelverordnungen immer wieder Probleme gibt. Sein Rezept dagegen?

„Selbst wissen, wie man eine HV perfekt ausfüllt und dann an die Arztpraxen herantreten und Vorträge dazu anbieten.“ In seiner Umgebung hat sich das bewährt.

Was Andreas Flinner an Behandlungen in Pflegeheimen besonders schätzt: „Sie bieten gute Räumlichkeiten und Hygienebedingungen für unsere Behandlungen“. Das ist in Privathaushalten oft anders. Und oft können Fußprofis den Bewohnerinnen und Bewohnern Freude schenken, ohne zusätzlichen Aufwand zu haben. „Manchmal spielen wir Musik, die ihnen gefällt – in der Weihnachtszeit hatten wir zum Beispiel die Fischer-Chöre dabei“, berichtet Flinner. „Da haben alle mitgesungen.“ Musik auf dem Handy und eine handliche kleine Bluetooth-Box machen es möglich.

Oft wird das Podologie-Team im Pflegeheim zudem zum Mittagessen eingeladen, was Andreas Flinner als angenehm und verbindend empfindet.

Besonderheiten bei Behandlungen zuhause

Wer einen klassischen Hausbesuch erwartet, wird von Andreas Flinner und seinem Team ebenfalls darauf vorbereitet. Die Regeln werden vor jeder Behandlung kommuniziert: Behandelt wird im Pflegebett. Eine Stromquelle muss zugänglich sein, in vielen Fällen hilft ein Verlängerungskabel dabei. Auch die Heilmittelverordnung muss korrekt ausgefüllt vorliegen, sofern die behandelte Person nicht selbst bezahlt. Außerdem gilt: Wer beim Klingeln nicht anzutreffen ist oder eine Therapie spontan verweigert, muss dennoch zahlen.

„Ausfallrechnungen gehören – wie in der Praxis – dazu“, legt Flinner seinen Kolleginnen und Kollegen ans Herz. „Bei uns ist es so geregelt, dass Patienten zweimal einen Termin versäumen dürfen. Dann bezahlen sie und wir machen einen neuen aus. Beim dritten Mal, bei dem ein Termin ausfällt, ist Schluss. Dann bekommt dieser Patient bei uns keine weiteren Termine mehr.“

Die meisten sind jedoch dankbar dafür, in den eigenen vier Wänden versorgt zu werden. Und das, obwohl das podologische Team im Privathaushalt in puncto Zugänglichkeit, Platz und Hygiene immer Abstriche machen muss. „Das ist so, das wissen unsere Patienten auch. Wir haben zuhause Teppichböden, Haustiere und andere Hindernisse. Wir können zwar mit abwischbaren Unterlagen arbeiten, aber optimal wird es so nicht“, berichtet Flinner.

Ob im Pflegeheim oder zuhause: Bei manchen Indikationen stoßen Podologen einfach an ihre Grenzen. Andreas Flinner hat gute Erfahrungen gemacht, dann ganz offen zu sagen: „Diese Behandlung kann ich nur in der Praxis optimal vornehmen,  zum Beispiel: eine Ross-Fraser-Spange setzen. Dafür sind dann ein bis zwei Termine in der Praxis nötig, danach behandle ich hier weiter.“ Meistens lasse sich für diese Ausnahmen ein Transport organisieren.

Mit einer positiven Haltung geht alles leichter

Andreas Flinner kennt und sieht die positiven Aspekte an Hausbesuchen in der Podologie: „Wir können Strom und Wasser vor Ort nutzen, das sind dann nicht unsere Ausgaben. Und wir lernen immer wieder neue Wohnungen und Lebensweisen kennen.“ Das kann inspirieren und spannend sein, findet er. „Ab und zu entdecke ich ein altes Möbelstück, wo ich sage: Wenn Sie das aussortieren, denken Sie bitte an mich!“, ergänzt er. So sei er tatsächlich schon zu hübschen Antiquitäten gekommen.

Auf die Haltung kommt es an, findet Flinner. Auf die Leidenschaft und Akribie in der Fußtherapie, auf Fingerspitzengefühl und ein Herz für die Patientinnen und Patienten. „Wertschätzung in einer Egogesellschaft“, wie Flinner es nennt.

An sich selbst denken sollten Podologinnen und Podologen, die Hausbesuche machen, aber durchaus auch. Flinner empfiehlt, Hausbesuche bei Selbstzahler:innen so zu kalkulieren, dass der zeitliche Mehraufwand, die Spritkosten und die Abnutzung des PKWs mit berücksichtigt sind. Und weil man „oft lange sehr unergonomisch“ arbeite, sei Ausgleichssport Pflicht: „Gönnen Sie sich und Ihrem Team Termine beim Chiropraktiker, Rückengymnastik oder etwas Vergleichbares.“ So können Fußprofis über viele Jahre Hausbesuche schultern – und Freude daran haben.

Mit Assistenz auf Hausbesuch –die Vorteile

Parkplatzsuche, Transporte, Aufbau des Equipments, Hygiene, Gespräche vor Ort und Dokumentation verteilen sich buchstäblich auf mehrere Schultern. Der Podologe oder die Podologin kann sich beim Termin auf die Fußtherapie konzentrieren. „Das sichert die Qualität und spart Zeit, ohne dass wir wie am Fließband arbeiten müssen“, berichtet Andreas Flinner. Darum sind Hausbesuche im Zweierteam auch wirtschaftlich sinnvoll. Im Umgang mit schwierigen Patient:innen ist die Arbeit im Tandem Gold wert, ergänzt er. Beispielsweise, wenn Menschen mit Demenz Dinge anders interpretieren und an Pflegekräfte oder Angehörige weitergeben, als sie waren. Flinner nennt ein Beispiel: „Ich habe einmal die Füße einer Patientin fotografiert, im Rahmen der Behandlungsdokumentation. Sie fand es auch okay, erzählte hinterher jedoch ihrer Pflegekraft, ich hätte ihre Unterwäsche im Schrank fotografiert. Da war es sehr hilfreich, dass ich nicht allein bei ihr gewesen war.“

Im Mai 2023 hat die deutsche Gesellschaft für Hygieneberatung das Fußwerk geprüft und als „sehr gut“ zertifiziert.

www.podologieflinner.de

Autorin: Petra Plaum

Mehr spannende Praxisartikel finden Sie in der Podologie 1/2024

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