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Morbus Raynaud Syndrom: Vorsicht bei Kälte

Menschen mit einem Raynaud-Syndrom reagieren empfindlicher als andere auf niedrige Temperaturen – besonders sind sie im Winter betroffen. Aber zu den anhaltend kalte Außentemperaturen, sind auch besonders plötzliche Temperaturwechsel gefährlich, die bei den Betrof fenen zu schneeweißen Fingern und Zehen führen. Was Podolog:innen über diese Störung wissen sollten.

Gerade jetzt im Winter kann man schon mal plötzlich kalte Füße bekommen. Nichts für Menschen, die am Raynaud-Syndrom leiden! Für sie nämlich kann die Berührung mit kaltem Fußboden zu einem regel rechten Kälteschock führen. Schon ein kurzesr Gang auf zu kaltem Boden kann bewirken, dass alles Blut aus den Zehen weicht. Aber auch kalte Luft kann unmittelbarer Auslöser des unheimlich anmutenden Phänomens sein, das sich an Händen oder Füßen, seltener auch an den Ohren oder an der Nase manifestiert. Die Folge sind sind krampfartige Verengungen der Blutgefäßen, so genannte Vasospasmen infolge derer Zehen und Finger schlagartig bleich werden, da das sauerstoffreiche Blut nicht mehr durch die verengten Arterien fließen kann. In warmen Regionen kommt die „Kältekrankheit“ deutlich seltener vor als in kühlen Lan- desteilen, zudem tritt sie überdurchschnittlich oft bei Menschen auf, die in kalter Umgebung arbeiten, etwa im Kühlhaus oder in einer Metzgerei.

Mangelnde Durchblutung

Die Durchblutungsstörung wird meist von Schmerzen und Taubheitsgefühlen begleitet und tritt anfallsweise auf, wobei die Trigger banal erscheinen: ein Griff in die Kühltruhe oder zu einer eisgekühlten Flasche, der Kontakt mit kalten Temperaturen oder eben mit kaltem Wasser. Kältereize wie diese, aber auch psychischer Stress führen bei Raynaud- Patienten zu einer Überreaktion der Nerven, bei der es zur Mangeldurchblutung der kleinen Blutgefäße und zum Weißwerden der Haut kommt.

Wenige Minuten bis mehrere Stunden kann ein solcher Gefäßkrampf andauern, ehe das Blut in die Zehen oder Finger zurückströmt. Im Verlauf des Anfalls verändert sich die Färbung der Haut mehrmals: Finger oder Zehen werden zunächst schneeweiß, verfärben sich dann blau und röten sich schließlich, wenn die Durchblutung wieder einsetzt, was auch mit starkem Brennen einhergeht.

Wege zur Diagnose des Raynaud-Syndroms

  • die Oszillometrie: Hiermit werden die Pulsschläge der Finger- oder Zehenarterien mithilfe von Druckmanschetten aufgezeichnet, die jeweilige Form der Pulswellen lässt Rückschlüsse auf die Qualität der Durchblutung zu.
  • die Plethysmographie: Hierbei wird die Durchblutung der Fingerkuppen mithilfe eines Lichtstrahls gemessen. Wie auch bei der Oszillometrie wird diese Methode mit einem Kälteprovokationstest verbunden, bei dem der Patient Hände oder Füße wenige Minuten in zehn bis zwölf Grad kaltes Wasser taucht. Bei Raynaud-Patienten verschwinden die Pulswellen, und die Durchblutung wird auf ein Minimum reduziert, nach dem Wiedererwärmen der Finger normalisieren sich bei ihnen die Werte, bei Patienten mit Gefäßverschlüssen dagegen nicht.
  • Dopplerdruckmessung der Finger oder Zehen: Hiermit lässt sich feststellen, ob die Durchblutung bereits oberhalb der Hände oder Füße gestört ist.
  • Ultraschall: Mit der so genannten Farbduplexsonographie können einzelne Finger- oder Zehenarterien dargestellt werden, um Gefäßverschlüsse aufzudecken. Die Methode ist vor allem bei Verdacht auf ein sekundäres Raynaud-Syndrom hilfreich.
  • Kapillarmikroskopie: die kleinsten Gefäße des Körpers (Kapillare) lassen sich mit dem Mikroskop besonders gut am Nagelfalz darstellen. Nicht nur die Form der Gefäße, sondern auch die Fließgeschwindigkeit des Bluts lässt sich so erkennen. Letztere ist bei spastisch verengten Gefäßen stark verringert oder stagniert sogar. Wichtig ist die Kapillarform:

Während beim primären Raynaud- Phänomen die Kapillaren normal sind, treten etwa bei der Skleroder- mie für diese Erkrankung charakteristische Riesenkapillaren auf.

  • Angiographie: Dieses Verfahren stellt die Gefäße umfassend dar. Sie erfolgt, wenn andere Untersuchun- gen Hinweise auf Verschlüsse der Finger- oder Zehenarterien geliefert haben, deren Ursache unklar ist. Mittels einer Angiographie lassen sich unterschiedliche Muster von Gefäßverschlüssen und damit auch deren zugrundeliegende Ursachen erkennen, beispielsweise eine Sklerodermie oder eine Embolie.

Ein Raynaud-Anfall verläuft in drei Stufen:

1 Ischämie:
blutleere, leichenblasse Haut infolge einer unzureichenden Durchblutung, hinzu kommen Sensibilitätsstörungen und/oder Schmerzen

2 Zyanose:
Blauwerden der Haut infolge von Sauerstoffmangel (Hypoxie)

3 reaktive Hyperämie, also übermäßige Durchblutung mit Rötung und Brennen der Haut.

Meist harmlos: das primäre Raynaud-Syndrom

Der französische Arzt Maurice Raynaud hatte die „Weißfingerkrankheit“ Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt und erstmals deren Symptome beschrieben. Die nach ihm Morbus Raynaud benannte Erkran- kung betrifft mehrheitlich Frauen im Alter zwischen 20 und 40, die einen niedrigen Blutdruck haben. Nach den Wechseljahren gehen die Symptome meist zurück oder verschwinden ganz.

Sieben bis zwölf Prozent der Bevölkerung leiden am Raynaud-Syndrom, wobei Mediziner eine primäre und eine sekundäre Form unterscheiden: Bei letzterer treten die Symptome als Begleiterscheinung be- stimmter anderer Erkrankungen auf (siehe Kasten), beim primären oder idiopathischen Morbus Raynaud dagegen ist keine auslösende Grunderkrankung erkennbar, und es ist bislang ungeklärt, weshalb es zu der extremen Gefäßreaktion und den Vasospasmen kommt.

Vermutlich liegt eine teils genetisch bedingte Fehlregulation des Sympathikusnervs zugrunde, da dieser eine zentrale Rolle bei der Wärmeregulierung im Körper spielt. Eine möglichst konstante Körpertemperatur gewährleistet, dass alle Funktionen des Organismus erhalten bleiben. Daher passen sich die Gefäße der Außentemperatur an: In kalter Umgebung verengen sie sich, so dass Blut aus den peripheren Gefäßen ins Körperinnere geleitet wird, um Wärmeverluste gering zu halten. Umgekehrt erweitern sich die Gefäße in warmer Umgebung. Bei Raynaud-Patienten sind diese Regulationsmechanismen gestört. Die abnorme Verengung der Endarterien vermittelt der Sympathikus-Nerv über den Botenstoff Noradrenalin: Die Gefäße ziehen sich zusammen, es fließt kaum noch Blut in die Finger oder Zehen. Beim primären Raynaud-Syndrom sind stets beide Hände oder Füße befallen, wobei der Daumen meist nicht betroffen ist.

Manche Raynaud-Patienten haben nur wenige „Kälteattacken“ im Jahr, andere mehrere täglich. Bei stundenlang andauernden Anfällen besteht die Gefahr, dass Gewebe und Gefäßwände irreversibel ge- schädigt werden und es zu Spätfolgen wie Nekrosen oder einer Gangrän kommt.

Steckt eine ernste Erkrankung dahinter?

Anders als beim primären Raynaud-Syndrom sind bei der sekundären Form Männer und Frauen jeden Alters in gleichem Maße betroffen. Fast immer liegt ein sekundäres Raynaud-Syndrom vor, wenn die Gefäßsymptomatik erstmals nach dem 40. Lebensjahr auftritt. Als Ursache kommt dann eine Vielzahl von Erkrankungen oder mechanischen Einwirkungen in Frage.

So gehen die Gefäßkrämpfe häufig auf Autoimmunerkrankungen wie entzündlich-rheumatisch bedingte Kollagenosen, also Bindegewebserkrankungen zurück. Auch neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Nervenentzündungen oder Nervenschäden in der Hand wie das Karpaltunnelsyndrom können hinter einer Raynaud-Symptomatik stecken. S fern die Symptome sich an den Händen manifestieren sind oftmals auch berufsbedingte Schäden verantwortlich, zu denen etwa das so genannte Vibrationssyndrom gehört, das bei Menschen auftreten kann, die jahrelang mit stark vibrierenden Elektrowerkzeugen wie Presslufthämmern oder Kettensägen arbeiten. Generell kann das ständige Hantieren mit Werkzeugen wie etwa einem Hammer zu Schädigungen einer Schlagader im Handballen und akuten Durchblutungsstörungen in den Fingern führen, die bei langfristiger Einwirkung der mechanischen Belastung irreversibel sein können.

Auch Sportler wie besonders Volleyballspieler haben ein erhöhtes Risiko, Gefäßverletzungen in der Hand zu erleiden.

Zudem können bestimmte Medikamente die Symptome einer Raynaud-Krankheit auslösen oder verschlimmern. Hierzu gehören vor allem Betablocker, die als Blutdrucksenker oder bei Migräne, bei Tremor sowie bei Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden. Auch bestimmte Parkinson-Medikamente, einige Antidepressiva und Amphetamine sowie Krebstherapeutika wie zytostatische Medikamente und Interferon können Gefäßkrämpfe hervorrufen.

Warmhalten ist die beste Prävention

Das Warmhalten von Fingern und Zehen hilft gegen Gefäßkrämpfe

Das primäre Raynaud-Syndrom ist zwar belastend, aber in der Regel nicht bedrohlich. Zur Vorbeugung und Behandlung der Gefäßkrämpfe helfen oft schon einfache Maßnahmen wie warme Kleidung, das Warmhalten von Fingern und Zehen, viel Bewegung und durchblutungsfördernde Massagen. Auch eine ak- tive Stresskontrolle durch körperliches und mentales Training hat sich als wirksam erwiesen. Reichen diese Methoden nicht aus, können gefäßerweiternde Medikamente, so genannte Vasodilatatoren wie Alpha-Rezeptorenblocker oder Kalziumantagonisten zum Einsatz kommen. Aktuell werden zudem neue gefäßerweiternde Substanzen wie Sildenafil, der in dem Potenzmittel Viagra enthaltene Wirkstoff, auf ihre Wirksamkeit beim Raynaud-Syndrom getestet. In extremen und therapieresistenten Fällen kann eine Sympathektomie erforderlich sein, ein operativer Eingriff, bei dem der Sympathikus im Bereich der betroffenen Region durchtrennt wird. Die Therapie des sekundären Raynaud-Syndroms richtet sich immer nach der zugrundeliegenden Erkrankung.

Christine Preiherr
Fachjournalistin
Blutenburgstraße 18, 80636 München E-Mail: preiherr@t-online.de

Foto: Pexels

titelbild: Adobe Stock – Maridav

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